Maschinen- und Anlagenbau

Maschinenbau im Umbruch

Der Maschinen- und Anlagenbau steht nicht nur durch die Corona-Pandemie vor Herausforderungen. Traditionell ist die Branche hierzulande stark auf High-Tech-Produkte fokussiert. Nicht immer zum Vorteil der Unternehmen – insbesondere in umkämpften weltweiten Wachstumsmärkten. Eine Bestandsaufnahme in schwierigen Zeiten von den Commerzbank-Branchenexperten Robert Schindler, Firmenkunden-Bereichsvorstand Süd, und Thomas Enck, Branchen-Head Maschinen- und Anlagenbau.

Mit über einer Million Arbeitnehmern ist der Maschinen- und Anlagenbau größter Arbeitgeber in Deutschland. Die Exportquote der erzeugten Produkte liegt bei 80 Prozent. Stärken der Branche sind ihre sehr hohe technische Expertise und ihre Vorreiterrolle bei der Digitalisierung der Industrie. Herausforderungen für hiesige Unternehmen sind der Fachkräftemangel und die hohen Produktionskosten in Deutschland sowie seit über einem Jahr die Corona-Pandemie.

Maschinenbau und Anlagenbau: Erfreulich resistent gegen Corona

Deutsche Maschinen- und Anlagenbauer kommen verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise. Zwar ist der überwiegende Anteil der Unternehmen von erheblichen Auftrags- und Produktionsrückgängen betroffen (minus 14 Prozent in der Produktion), jedoch trifft die Krise die Maschinen- und Anlagenbauer nicht unvorbereitet.

Die Gründe dafür und darauf aufbauende Empfehlungen für die Zukunft fassen die Commerzbank-Experten in fünf Punkten zusammen, die jetzt jeder Maschinenbauer auf der Agenda haben sollte, um langfristig auf Erfolgskurs zu bleiben.

Robert Schindler, Firmenkunden-Bereichsvorstand Süd, Commerzbank

Robert Schindler
Bereichsvorstand Süd,
Firmenkunden

Thomas Enck, Branchen-Head Maschinen- und Anlagenbau, Commerzbank

Thomas Enck
Branchen-Head Kredit für Maschinen
und Anlagenbau

Eines der wichtigsten Mittel: Liquidität

Rund 30 Prozent der Commerzbank-Kunden aus dem Maschinen- und Anlagenbau – überwiegend kleinere Unternehmen – haben seit Beginn der Pandemie Hilfskredite beantragt und bisher 1,3 Milliarden Euro an Corona-Hilfen erhalten. „Die Branche hat die Krise trotz des starken Produktionsrückgangs verhältnismäßig gut bewältigt“, so Firmenkunden-Bereichsvorstand Schindler. „Wir sehen zwar Betroffenheit, aber nur sehr wenige tatsächliche Liquiditätsengpässe.“ Der Grund dafür: Viele Unternehmen der mittelständisch geprägten Branche haben die vergangenen erfolgreichen Jahre genutzt, um ihre Kapital- und Liquiditätsbasis zu stärken. Das hat sich in der Krise bezahlt gemacht.

Gut aufgestellt – vor allem flexibel

Auch in heutigen Zeiten kann der deutsche Maschinen- und Anlagenbau von seinen ausgewiesenen Stärken profitieren: Innovationsfähigkeit und die hohe Qualität ihrer anspruchsvollen Speziallösungen machen die Branche im internationalen Wettbewerb erfolgreich. „Die noch von vor dem ersten Lockdown im März 2020 stammende gute Auftragslage gab den Unternehmen den nötigen zeitlichen Spielraum für Anpassungen der Kapazitäten und des Geschäftsmodells“, so Bereichsvorstand Schindler. Dabei half der Blick zurück, denn schon in der Finanzkrise 2008/2009 hatten viele Unternehmen gelernt, wie wichtig Flexibilität in der Produktion und Sortimentsgestaltung ist. Angesichts der immer stärkeren Schwankungen in der globalen Wirtschaft sollte die Branche noch stärker als bisher Flexibilität vor Wachstum stellen.

International gilt es, den Anschluss nicht zu verpassen

Neben den Stärken der Branche wie dem guten Liquiditätsmanagement, der hohen Innovationskraft im High-End-Bereich und dem Ausbau der Vorreiterrolle bei der Digitalisierung hat Commerzbank-Experte Enck auch die Schwächen der Maschinen- und Anlagenbauer im Blick – z.B. die längerfristige internationale Entwicklung. „Die deutsche Maschinenbaubranche bleibt schon seit einigen Jahren hinter der globalen Wirtschaftsentwicklung zurück. Das liegt vor allem daran, dass die Branche sich stark auf das vergleichsweise kleine High-End-Segment fokussiert“, so Enck.

Mit „Mid-Tech“ Marktanteile zurückgewinnen

„Die Stärke des deutschen Maschinenbaus ist in diesem Fall zugleich seine Schwäche“, bringt es Branchen-Head Thomas Enck auf den Punkt. Das, was die Branche produziere, sei technisch auf allerhöchstem Niveau. Allerdings sei „High Tech“ bei den Kunden gar nicht immer gefragt, oft würden den Abnehmern des Maschinenbaus auch einfachere Produkte genügen. In dieses Mid-Tech-Segment hineinzukommen, sei jedoch nicht so einfach, weil der Markt auch preislich stark umkämpft sei, so Enck.

Nun gilt es aufzuholen, denn die weltweite Nachfrage im bislang nur wenig bedienten Mid-Tech-Segment ist wesentlich größer und wächst schneller als der High-Tech-Bereich. „Für die Unternehmen wird es immer wichtiger, neben ihren High-End-Produkten noch mehr preiswertere Mid-Tech-Angebote mit höherer Standardisierung auf den Markt zu bringen“, lautet der Rat von Branchen-Head Enck.

Mehr Standardisierung und Modularisierung

Nicht nur im Mid-Tech-Segment könnte man durch intelligente Produktionsgestaltung wie z. B. durch Standardisierung und Modularisierung bei den Produktionskosten gegensteuern. Auch die Verlagerung einfacherer Fertigungstätigkeiten an ausländische Standorte mit geringerem Kostenniveau kann hierbei helfen. Anspruchsvollere Tätigkeiten werden jedoch in Deutschland verbleiben, sodass sich – da es sich bei Mid-Tech-Angeboten oft um Zusatzgeschäft handelt – auch positive Impulse für die hiesige Beschäftigung ergeben können.

Langsame Rückkehr zur Normalität

Für das Corona-Jahr 2020 gehen die Commerzbank-Experten von einem Produktionsrückgang von 14 Prozent aus, was einem Umsatz von bestenfalls 200 Milliarden Euro entsprechen würde. Zum Vergleich: Vor der Krise – also im Jahr 2019 – betrug der Umsatz der Branche noch 229 Milliarden Euro. Bis Ende 2021 ist nur mit einer langsamen Entspannung zu rechnen. „Trotz leichter Erholung um die 4 Prozent im Jahr 2021 erwarten wir erst ab dem Jahr 2022 eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau“, schätzt Schindler die Situation ein.