„Entscheidungen sind zunehmend von Nachhaltigkeitsaspekten geprägt.“
Michael Kotzbauer, Mitglied des Vorstands der Commerzbank AG, über die Messbarkeit von Nachhaltigkeit, nachhaltige Anleihen und Deutschlands Potenzial, in der Kreislaufwirtschaft eine Führungsrolle einzunehmen.
Die neue Studie der Unternehmerperspektiven setzt ein Ausrufezeichen hinter das Thema Nachhaltigkeit. Was ist Ihre Lesart der Studienergebnisse?
Michael Kotzbauer: Die Studie spiegelt sehr gut wider, was wir auch aus Kundengesprächen mitnehmen – nun durch Zahlen belegt. Auch der großartige Start unseres „Green Bond“ in diesem Jahr weist in die gleiche Richtung. Das Thema Nachhaltigkeit ist unbestreitbar von großer Bedeutung. Wenn sich die dunklen Wolken der Pandemie gelichtet haben, wird es noch einmal an Fahrt aufnehmen. Das Verbraucherverhalten verändert sich und Selektionsprozesse – sei es nun die Entscheidung für einen Arbeitgeber oder für eine Investition – sind zunehmend von Nachhaltigkeitsaspekten geprägt.
Die Studie zeigt außerdem, wo die Chancen für Unternehmen liegen und mit welchen Herausforderungen sie sich konfrontiert sehen. Bei beiden Aspekten können wir als Bankpartner unterstützen.
Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?
Michael Kotzbauer: Für viele Unternehmen liegt die größte Herausforderung darin, dass für sie Aufwand und Ertrag beim Thema Nachhaltigkeit schwer abschätzbar sind. Außerdem beklagen sie die Unübersichtlichkeit der Förderprogramme. Was die Förderprogramme anbetrifft, beraten wir natürlich gerne. Wir glauben aber, dass die Messbarkeit von Nachhaltigkeit ein deutlich größeres Thema ist, denn „gemessene“ Nachhaltigkeit ist unter anderem ein fester Bestandteil staatlicher Ausschreibungen. Deshalb unterstützen wir unsere Kunden auch zusammen mit unserem Partner FutureCamp, um hier mehr Transparenz zu schaffen.
Welche Rolle spielt dabei das Klassifizierungssystem der EU-Taxonomie?
Michael Kotzbauer: Die EU-Taxonomie hat eine größere Bedeutung, als man gemeinhin glaubt. Als Klassifikationssystem für nachhaltige Investments, sozusagen als „grüne Liste“ für nachhaltiges Wirtschaften, sind damit zunächst alle Banken und Versicherer angesprochen. Aber dieses System könnte langfristig auch eine Blaupause für andere Branchen sein. Für uns als Bank wird es nicht nur darum gehen, selbst nachhaltig, also CO2-neutral zu sein, sondern auch darum, unser Kreditportfolio zunehmend nachhaltig zu gestalten. Bereits im ersten Quartal 2021 haben wir 14 nachhaltige Anleihen mit einem Volumen von 21 Milliarden Euro federführend begleitet. Am 15. April dieses Jahres kam eine weitere Meilenstein-Transaktion dazu. Die Berlin Hyp hat als weltweit erste Bank eine Sustainability-Linked Anleihe begeben, bei der sich der Kupon erhöht, falls die Berlin Hyp ihre Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht. Hier waren wir als Bookrunner dabei.
Und wie sieht es mit den Chancen beim Thema Nachhaltigkeit aus?
Michael Kotzbauer: Laut Studie sehen Unternehmen zwar durchaus die Chancen, aber sie nutzen sie noch zu wenig. Dabei lohnt es sich sehr, einmal genauer hinzusehen. Nehmen wir etwa das Thema Kreislaufwirtschaft. Das könnte zum nächsten großen Exportthema für die deutsche Wirtschaft werden. Und zwar nicht nur, was Recyclinglösungen und -prozesse anbetrifft, sondern auch in Bezug auf Maschinen und Anlagen. Als Bankpartner begleiten wir unsere Kunden bei deren Transformationsprozess. Dazu gehört auch, Chancen zu identifizieren und sie zu nutzen.