Commerzbank Rohstoffradar

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Blaue Erdgasflamme auf blauem Hintergrund in Nahaufnahme

Radar im Überblick

Das Rohstoffradar misst die Volatilität ausgewählter Rohstoffpreise und ist damit ein Indikator für die Schwankungsbreite einzelner Rohstoffe.

Der Commerzbank Rohstoffradar

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Entspannter EU-Gasmarkt: Trügt der Schein?

Die Preise am europäischen Gasmarkt liegen deutlich unter denen vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs. Zudem sind die Gasspeicher am Ende der Entnahmephase deutlich voller als üblich. Auch wenn die Ausgangsposition für die Auffüllphase also sehr komfortabel ist, kann sich die Lage schnell wieder verschärfen. Zum einen könnte die Gasnachfrage (konjunkturbedingt) allmählich anziehen, zum anderen besteht nach wie vor eine gewisse Abhängigkeit von russischem Gas. Wir sehen deshalb die Preisrisiken auf der oberen Seite.

Europäische Gasspeicher nach mildem Winter mehr als zur Hälfte voll

Zum Ende der Heizperiode ist die Situation am europäischen Gasmarkt entspannt. Dank eines abermals milden Winters und einer noch immer schwachen Industrienachfrage waren die Speicher zum Ende der Entnahmephase noch immer zu knapp 60 Prozent gefüllt – drei Prozentpunkte mehr als im Vorjahr und fast 20 Prozentpunkte mehr als in den fünf Jahren zuvor üblich. Diese äußerst komfortable Ausgangsposition bei der Wiederauffüllung der Bestände für den nächsten Winter schlägt sich in entsprechend niedrigen Preisen nieder: Mit 23 EUR je MWh notierte der europäische Benchmark-Preis TTF zwischenzeitlich auf einem 3-Jahrestief und deutlich niedriger als vor Beginn des Ukraine-Kriegs.

Eine allmähliche Konjunkturerholung dürfte auch die europäische Gasnachfrage etwas anschieben

Angesichts des geringen zeitlichen Drucks, die Vorräte schnell wieder auffüllen zu müssen, und der momentan noch immer stark stotternden EU-Konjunktur sehen wir kurzfristig kaum Erholungspotenzial für die Preise. Ab dem Frühjahr dürfte sich jedoch die Wirtschaft langsam aus der Rezession herausarbeiten. Schließlich wird sich die Industrie (weltweit) zumindest stabilisieren, auch weil die Wirkung der häufig massiven Zinserhöhungen nachzulassen beginnt. Viel Aufwind erwarten unsere Volkswirte allerdings nicht, auch weil China wegen der heimischen Krise am Immobilienmarkt wohl als Konjunkturlokomotive ausfällt. Deshalb gibt es kaum Hoffnung, dass das Wachstum in der EU stärker über den Export angefacht wird. Dennoch dürfte der konjunkturelle Rückenwind bei gleichzeitig moderaten Preisen eine leichte Belebung der europäischen Gasnachfrage ermöglichen.

Gas-Preis in EUR je Tonne

Vermutlich künftig (noch) weniger Gas aus Russland

Vor allem aber die Risiken auf der Angebotsseite sprechen für höhere Preise. Denn zum einen besteht noch immer eine gewisse Abhängigkeit von russischen Gasimporten. Zwar hat die EU im Vergleich zu 2021 ihre russischen Gasbezüge um gut 80 Prozent reduziert, aber sie machen noch immer 15 Prozent der Gasimporte insgesamt aus. Ein Drittel davon fließt über die Ukraine, die bereits eine Verlängerung für das am Jahresende auslaufende Gas-Transitabkommen mit Russland ausgeschlossen hat. Zwar haben die Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit gezeigt, dass sich Gasströme neu ausrichten lassen, doch das Ausloten neuer Spielräume ist meist mit höheren Kosten verbunden. Zum anderen ist die EU inzwischen zu 40 Prozent auf LNG-Importe angewiesen. Auch wenn dieser Markt mehr Flexibilität bietet als die Pipeline-Bezüge, kann es hier zu einer Anspannung kommen. Drei mögliche Szenarien dafür: Die Nachfrage in Asien wächst stärker und schneller als derzeit erwartet, an den bestehenden Großanlagen kommt es zu längeren Ausfällen, der geplante Ausbau der LNG-Verflüssigungskapazitäten, vor allem in Katar und den USA, verzögert sich.

Preisrisiko eher auf der oberen Seite

Alles in allem erwarten wir, dass der europäische Gaspreis deshalb in der zweiten Jahreshälfte allmählich anzieht: Zum Jahresende dürfte der europäische Benchmark-Preis TTF bei 35 EUR je MWh notieren.

Quelle: Commerzbank Research 08.04.2024