Commerzbank Rohstoffradar

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Ziegelfabrikrohr auf einem Hintergrund aus blauem Himmel mit weißen Wolken.

Radar im Überblick

Das Rohstoffradar misst die Volatilität ausgewählter Rohstoffpreise und ist damit ein Indikator für die Schwankungsbreite einzelner Rohstoffe.

Der Commerzbank Rohstoffradar

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Fokusrohstoff CO2

Neuer Aufwind im EU-Emissionshandel

Die Preise im EU-Emissionshandel stehen seit letztem November unter Druck. Noch im März 2023 hatten sie ein neues Rekordhoch bei gut 100 Euro je Tonne CO2 markiert. Danach schwankten sie lange Zeit zwischen 80 und 100 Euro je Tonne. Momentan aber kostet das Recht zur Emission einer Tonne CO2 nur noch rund 65 Euro. Auslöser sind zahlreiche Belastungsfaktoren, die sich aber – zumindest teilweise – in diesem Jahr auflösen sollten:

Schwäche energieintensiver Sektoren

Die ohnehin schon schwächelnde EU-Konjunktur dürfte im Winterhalbjahr in eine milde Rezession abgeglitten sein. Geschuldet ist dies der straffen Geldpolitik, aber auch den nur geringen Impulsen aus dem Ausland. Unter den schwachen Absatzperspektiven leiden die energieintensiven Sektoren besonders, die durch langfristig gesehen noch immer hohe Energiepreise besonders belastet sind. Am stärksten brach die Aluminiumindustrie ein: Die Erzeugung lag in den ersten zehn Monaten 2023 gut zehn Prozent unter dem Vorjahr. Im Laufe dieses Jahres aber dürften sich die Perspektiven zumindest teilweise verbessern. Der Hochpunkt im Zinszyklus gilt als erreicht. Damit sollten sich die Tendenzen im zinssensitiven Bausektor wieder aufhellen. Besonders profitieren würden davon die im EU-ETS erfasste Zement-, Stahl- und Aluminiumindustrie.

Rückenwind für erneuerbare Energien

Der auch konjunkturbedingt geringe Energiebedarf hat die fossilen Energieträger im europäischen Strommix deutlich belastet. In der EU lag die Stromerzeugung aus Kohle im letzten Jahr gut 27 Prozent unter Vorjahr, bei Gas waren es knapp 20 Prozent. Entsprechend sank der Bedarf an Emissionsrechten. Zweifellos setzt sich der Vormarsch erneuerbarer Energien fort. Laut Rystad Energy sind beispielsweise die installierten Kapazitäten für Solarenergie 2023 in Europa um 30 Prozent gestiegen. Auch wenn der Ausbau der Windenergie (an Land) etwas ins Stocken geraten ist, dürfte die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in diesem Jahr also weiter zulegen. Dennoch: Wenn der Strombedarf in Europa konjunkturbedingt wieder etwas ansteigt, werden davon auch fossile Energieträger profitieren – zumindest dürfte der Abschwung an Tempo verlieren.

CO2-Preis in EUR je Tonne

Kopplung an den Gaspreis

Der Verbund mit dem Gaspreis hat den CO2-Preis in letzter Zeit zusätzlich belastet. Grundsätzlich beruht er darauf, dass sich mit steigenden Gaspreisen ein Brennstoffwechsel zur Kohlekraft anbietet. Das wiederum führt zu einem Mehrbedarf an Emissionsrechten und schiebt deren Preis an. Wir gehen davon aus, dass die europäischen Gaspreise zuletzt zu tief gefallen sind und eine Preiserholung zu erwarten ist – neuer Auftrieb für den CO2-Preis.

Eher hohes Auktionsangebot

Auf der Angebotsseite ist das Bild gemischt. 2024 werden insgesamt fast sieben Prozent weniger Emissionsrechte verteilt als 2023. Ursache ist der Einmalschnitt bzw. die Anpassung an den im Rahmen von „Fit-for-55“ beschlossenen höheren linearen Reduktionsfaktor. Die Aufstockung aufgrund der Schifffahrt ist dabei schon berücksichtigt. Andererseits werden für den REPowerEU-Plan Auktionsvolumina vorgezogen bzw. neu verteilt. Das Auktionsangebot ist deshalb laut Bloomberg New Energy Finance nur knapp 1 Prozent geringer als im Vorjahr.

Zurückhaltung der Investmentfonds

Als verstärkender Faktor wirkt sich nicht zuletzt die Stimmung der Finanzanleger im EU-Emissionshandel aus. Mitte Dezember war die Skepsis am größten: Die Netto-Short Positionen der Investmentfonds waren so hoch wie nie seit Erhebung der Statistik. Ändert sich die Stimmung, würde ein Abbau dieser Positionen eine schnelle Preiserholung forcieren.

Alles in allem erwarten wir, dass der CO2-Preis nach einem schwachen Winterhalbjahr seinen langfristigen Aufwärtstrend wieder aufnimmt. Schließlich hält die EU weiterhin an ihren ehrgeizigen Klimazielen fest. Auch wenn der Zubau erneuerbarer Energien generell die Emissionen im Stromsektor schnell reduziert, bleibt deren Verringerung in den Industriesektoren eine Kraftanstrengung. Wir gehen davon aus, dass die Preise im EU-Emissionshandel bis Ende 2024 wieder auf 85 Euro je Tonne steigen.

Quelle: Commerzbank Research 16.01.2024