Commerzbank Rohstoffradar April 2023

Rohstoffradar im Überblick

Das Rohstoffradar misst die Volatilität ausgewählter Rohstoffpreise und ist damit ein Indikator für die Schwankungsfreude einzelner Rohstoffe.

Quelle: Bloomberg

Ölmarkt: Das Angebot wird knapper

Der Ölpreis geriet während der jüngsten Marktturbulenzen stark unter Druck: Mit 70 USD kostete ein Barrel Brentöl zwischenzeitlich fast 20 Prozent weniger als zu Jahresbeginn. Als die Nervosität nachließ, erholte sich der Preis wieder. Er kehrte aber erst in die Mitte der – bislang in diesem Jahr üblichen – Handelsspanne zwischen 80 und 90 USD je Barrel zurück, als einige OPEC-Länder überraschend ankündigten, ihre tägliche Produktion ab Mai um gut 1 Mio. Barrel zu drosseln.

Für Gegenwind am Ölmarkt hatten nicht nur die Finanzmärkte gesorgt: Auch die Fundamentaldaten hatten sich verschlechtert. So erhöhte die Internationale Energieagentur (IEA) im März ihre Prognose für den globalen Angebotsüberschuss im ersten Quartal auf knapp 1 Mio. Barrel pro Tag. Für das zweite Quartal stellte sie ein leichtes Überangebot in Aussicht, vor allem wegen des robusten Ölangebots aus Russland: Im Januar und Februar lag es trotz westlicher Ölsanktionen nur knapp unter dem Vorjahresniveau vor Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Die OECD-Lagerbestände stiegen durch das beträchtliche Überangebot zu Jahresbeginn kräftig an. Inzwischen ist diese erhebliche Abweichung der Lagerbestände vom Fünfjahresdurchschnitt fast verschwunden.

Erdölpreis in USD je Barrel

Mit der sich nun abzeichnenden Reduktion des OPEC-Angebots wird sich die Marktversorgung verschlechtern. Dennoch bleiben auf kurze Sicht zwei Fragen offen: Wie stark wird Russland seine Produktion drosseln (müssen)? Und wie stark wird sich Chinas Nachfrage erholen? Bliebe ein Rückgang der russischen Produktion über die angekündigte Kürzung von 500 Tsd. Barrel pro Tag hinaus aus, wäre der Ölmarkt wohl im zweiten Quartal noch ausreichend versorgt, sofern die Ölnachfrage nur allmählich steigt – wobei für die Dynamik vor allem die chinesische Nachfrage verantwortlich ist.

Angesichts der kurzfristig unsicheren Versorgungslage sind wir für die Ölpreisperspektiven zunächst vorsichtig. An unserer grundsätzlichen Erwartung eines in der zweiten Jahreshälfte wieder kräftig ansteigenden Ölpreises halten wir allerdings fest. Schließlich bleibt es dabei, dass der Ölmarkt im zweiten Halbjahr aufgrund einer stark ansteigenden Nachfrage vor allem aus China und eines stagnierenden Angebots deutlich unterversorgt sein dürfte. Die OPEC+ will das reduzierte Angebot bis Ende des Jahres konstant halten. Zudem könnte Russlands Angebot weiter zurückfallen. Das Ölangebot außerhalb der OPEC+ steigt zwar, die US-Rohölproduktion wächst aber nur noch langsam und wird wohl ihr bisheriges Rekordniveau bis Ende 2024 nicht wieder erreichen. Die Bohraktivität in den USA ist sogar rückläufig. Das Angebotsdefizit, das nach den bisherigen IEA-Prognosen zu Nachfrage und Angebot in der zweiten Jahreshälfte im Durchschnitt rund 1,5 Mio. Barrel pro Tag betragen sollte, könnte sogar noch höher ausfallen. Wir rechnen daher mit einem Preisanstieg auf 90 USD je Barrel bis Jahresende.

Der Gasölpreis hat den jüngsten Preisrücksetzer nachvollzogen, nicht aber die sich anschließende Erholung am Rohölmarkt: Nachdem das Embargo für russische Ölprodukte in Kraft getreten ist, stellt sich die Lage entspannter dar als vorab befürchtet. Die Vorratslager in den OECD-Ländern sind wieder recht gut gefüllt. Die Nachrichtenagentur Bloomberg schätzt zudem, dass in den ersten 19 März-Tagen dieses Jahres Russlands Dieselexporte mit 1,5 Mio. Barrel pro Tag so hoch waren wie zuletzt 2016. Wir denken, dass der Markt etwas zu sorglos ist und sehen den Gasölpreis in den kommenden Monaten stärker steigen als den Rohölpreis.

Quelle: Commerzbank Research 05.04.2023

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