Unternehmensfinanzierung

Was Großunternehmen aus der Corona-Krise für ihre Finanzen lernen können

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Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie gehören zu den größten Schocks, denen deutsche Unternehmen, deren Mitarbeiter und die Gesellschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ausgesetzt waren. Dennoch ist es in einer konzertierten Aktion von Politik, Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB), Unternehmen sowie vor allem auch den Banken gelungen, die schädlichen Auswirkungen deutlich zu begrenzen. Allerdings stellte und stellt die Krise, je nach Branche und einzelnen Phasen der Pandemie, die Unternehmen vor besondere Herausforderungen – bis hin zu existenziellen Krisen.

Wie lassen sich drei Branchengruppen in den verschiedenen Phasen der Pandemie unterscheiden?

1

Negativ betroffen:

Dazu gehören vor allem Unternehmen aus den Bereichen Luftfahrt, Touristik, Entertainment, Gastronomie und Einzelhändler, die während des Lockdowns schließen mussten.

2

Temporär oder mittelbar betroffen:

Beispiele sind die Automobilbranche und deren Zulieferer, das verarbeitende Gewerbe aufgrund der zunächst eingebrochenen Auftragslage sowie verschiedene Logistikzweige, deren Umsätze anfänglich ebenfalls einbrachen.

3

Positiv oder wenig betroffen:

Pharmaunternehmen gehören sicherlich zu den Gewinnern der Pandemie, ebenso wie Unternehmen des Onlinehandels. Die Telekommunikationsbranche hat sich allgemein als resilient erwiesen.

Liquiditätssicherung: Herausforderungen zu Beginn der Pandemie

Das Wichtigste für betroffene Unternehmen während der ersten Welle der Corona-Krise war sicherlich die Liquiditätssicherung. „Hier haben Banken eine wichtige Rolle bei der unmittelbaren und mittelfristigen Sicherung der Liquidität in den Zeiten der großen Unsicherheit gespielt“, sagt Michael Kilka, Regional Board Member Global Sectors & German MNC bei der Commerzbank. Dabei ging es vor allem um Folgendes:

  • Die Strukturierung und Koordination von Finanzierungsprogrammen mit anderen Banken und/oder öffentlicher Unterstützung, insbesondere unter Beteiligung der staatlichen Förderbank KfW. Die Commerzbank agierte dabei als wichtiger Berater und Strukturierer von Kreditprogrammen in der Krise.
  • Die Bereitstellung von individuellen Kreditlinien für Firmen. Die Commerzbank reagierte mit einer zum Teil signifikanten Erhöhung von Kreditrahmen in der Krise.

Für die Branchengruppen 1 und 2 sind auch die zentrale Unterstützung durch den Bund, beispielsweise durch die Bereitstellung von Kurzarbeitergeld, die KfW und die EZB hervorzuheben. Im Geschäft mit temporär betroffenen Unternehmen der Branchengruppe 2 mit starkem Rating liefen viele Hilfsangebote auch ohne KfW ab. Die Unternehmen der Branchengruppe 3 benötigten im Allgemeinen keine Unterstützung. Kilka: „In der akuten Zeit in Phase 1 fand zudem ein Repricing im Firmenkundengeschäft statt: Auch im Niedrigzinsumfeld hieß es wegen erhöhter Risikoaufschläge auf einmal wieder: Geld kostet wieder Geld.“ Auch wurden aufgrund der hohen Unsicherheiten verfügbare Laufzeiten stark verkürzt.

Deutliche Unterschiede nach Branchen:

Herausforderungen im weiteren Verlauf der Pandemie

Nach der ersten Welle der Corona-Pandemie folgte eine Entspannung im Sommer 2020, gefolgt von weiteren Pandemie-Wellen über den Winter hinweg. Auch in diesen zeigte sich je nach Branchengruppe ein differenziertes Bild.

So stehen für stark betroffene Unternehmen in kritischen Branchen bis Ende der pandemischen Situation die Absicherung des Finanzbedarfs und die strategische Transformation, insbesondere das Kostenmanagement und etwaige Anpassungen des Geschäftsmodells, im Fokus. „Die Commerzbank begleitet in vielen Fällen ihre Kunden in schwierigen Situationen, vor allem bei der Kapitalbeschaffung und bei der Anpassung der Kapitalstruktur“, sagt Experte Michael Kilka.

Für temporär betroffene Großunternehmen aus Branchen mit positiver Geschäftsprognose kam es in den weiteren Phasen der Krise zu einer weitgehenden Normalisierung, die beispielsweise durch langfristige Ausfinanzierungen von Liquiditätsbrücken über den Kapitalmarkt genutzt wurde. Erleichterung brachte den Unternehmen darüber hinaus, dass nach Preisspitzen bei Krediten in den ersten Wochen die Preise wieder zurückkamen und bei guter Bonität auch wieder längere Laufzeiten möglich waren. Kilka: „Unsere Kunden nutzten in dieser Phase den guten Zugang der Commerzbank zum Kapitalmarkt, indem sie z. B. über uns Anleihen emittierten oder syndizierte Loans zeichneten. Unternehmen aus kaum oder positiv betroffenen Branchen führen in der Regel ihre internen oder externen Wachstumsstrategien fort. Laut Kilka unterstützt die Commerzbank ihre Kunden auch in diesen Prozessen, sei es durch Finanzierungen von externen Akquisitionen oder größeren Investitionsprogrammen in längerfristige Anlagegüter.

Banken waren diesmal Teil der Lösung, nicht des Problems

Die Corona-Krise bedurfte und bedarf erheblicher Kraftanstrengungen, sowohl seitens der Unternehmen, groß wie klein, und der öffentlichen Hand als auch – und nicht zuletzt – seitens der Geldhäuser. „Die in Deutschland verankerten Banken haben hier geliefert“, betont Kilka. Insgesamt habe das nach 2008 durch unterschiedliche Regelungen gestärkte Bankensystem Stand gehalten. Vielerorts lobten Politiker die Banken mit den Worten: Banken seien diesmal Teil der Lösung und nicht Teil des Problems, wie sie es während der Finanzkrise waren.
Hervorzuheben sind:

  • Das Zusammenspiel zwischen den unterschiedlichen Akteuren des Finanzsystems wie Geschäftsbanken, Regierungen, Förderbanken und Zentralbanken. Es erwies sich in einer hochkritischen Situation als effektiv und hat sich in den einzelnen Rollen bewährt. Der Kollaps des Systems trat in der Krisensituation nicht ein, die Realwirtschaft konnte im Zusammenspiel aller weitgehend unterstützt werden. Auch die Kapitalmärkte haben sich als sehr resilient in dieser Krise erwiesen und zur Normalisierung beigetragen.
  • Eine belastbare Kernbankengruppe, also die klassischen Hausbanken, war ein wichtiger Erfolgsfaktor. Langjährige, stabile Kundenbeziehungen zwischen Banken und Unternehmen haben sich in der Krise ausgezahlt. Diese Verbindungen wurden während der Pandemie vielfach sogar gestärkt. „Wir konnten unseren Kunden in der Krise sehr effektiv zur Seite stehen, da wir ihr Geschäft und die entsprechenden Anforderungen aufgrund der engen Kundenbeziehungen und des ausgeprägten Sektorverständnisses besonders gut kennen“, sagt Michael Kilka.

Guter Schutz: vor der Krise Kernbankengruppe aufbauen

Im Interview beantwortet Michael Kilka (Regional Board Member Global Sectors & German MNC), die wichtigsten Fragen dazu, wie sich Großunternehmen künftig auf Krisen wie die Corona-Pandemie noch besser vorbereiten können.

Erste Welle, zweite, dritte und jetzt vielleicht bald eine vierte: Könnte es wegen der andauernden Corona-Krise nun endgültig eng werden für einige Unternehmen?

Michael Kilka: Eine pauschale Antwort darauf ist nicht möglich. Das ist sehr branchenabhängig. Den Unternehmen, die gut durch die ersten Wellen gekommen sind, wird es wahrscheinlich immer noch gut gehen. Wer von Anfang an branchenbedingt oder individuell Schwierigkeiten hatte, der dürfte auch jetzt noch Probleme haben. Denn an Liquidität zu kommen, wird für diesen Kreis der Betroffenen nicht leichter. Dennoch: Die Zusammenarbeit von Europäischer Zentralbank (EZB), Politik und eben auch Banken hat sehr gut funktioniert. Immerhin gehen die Insolvenzzahlen seit Jahren zurück, und auch 2020 war kein Ausreißer. Es gab zwar die temporäre Aussetzung der Insolvenzmeldepflicht, aber zurzeit sehe ich keine extremen Insolvenzspitzen. Und auch nicht für das nächste halbe Jahr. Das ist allerdings ein Blick in die Glaskugel. Denn die Pandemie zeigt immer wieder ein neues Gesicht.

Wie könnten sich Unternehmen auf eine Extremsituation wie die Pandemie künftig noch besser vorbereiten?

Sie sollten auf eine ganze Abfolge von vorbereitenden Maßnahmen setzen. Am Anfang steht sicherlich, einen möglichen Impact für das eigene Unternehmen im Rahmen von Szenario-Rechnungen abzuschätzen: Welche Auswirkungen hätte das Ereignis auf den Cashflow? Dann sollte die Kostensituation betrachtet werden. Binsenweisheit: Sinken die Einnahmen, müssen auch die Ausgaben runter. Anschließend ist ein Blick auf den richtigen Finanzierungsmix unabdingbar. Der sollte möglichst breit und flexibel aufgestellt sein, um in kritischen Situationen handlungsfähig zu bleiben. So kann es empfehlenswert sein, bestimmte Reservelinien vorzuhalten, auch wenn es Geld kostet. Große Player sollten zudem den Kapitalmarktzugang pflegen, z. B. indem sie externe Ratings vorbereiten bzw. pflegen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die optimale Vorbereitung auf mögliche Krisen wie die Pandemie ist stets abhängig von der jeweiligen Branche und der Situation des eigenen Unternehmens; hier kann eine gute und verlässliche Bankbeziehung viel Unterstützung bieten.

Wird Corona ein singuläres Ereignis bleiben oder erwartet die Commerzbank künftig eine Häufung solcher Extremereignisse, sei es virusbedingt oder aufgrund der Folgen des Klimawandels?

Singuläre Ereignisse wie eine Pandemie lassen sich nicht vorhersagen. Trotzdem muss die richtige Vorbereitung auch solch ein Szenario grundsätzlich berücksichtigen. Anders ist es beispielsweise mit den Auswirkungen des Klimawandels. Sie sind statistisch nachweisbar. Und das sollte dann in der jeweiligen Nachhaltigkeitsstrategie der Unternehmen berücksichtigt werden. Gegebenenfalls ist sogar eine Adjustierung des Businessmodells erforderlich.

Was können Banken tun, um ihre Kunden möglichst gut auf kommende Krisen vorzubereiten?

Die Commerzbank ist dafür recht breit aufgestellt. Das fängt mit der Beratung an, die erläutert, wie sich ein Unternehmen krisenfest formieren sollte. Wir können auch die entsprechenden Produkte liefern, seien es flexiblere Kreditlinien, die Unterstützung des Ratingprozesses oder den Zugang zum Kapitalmarkt. Das alles lässt sich schon vor einer Krise vorbereiten. Und wenn diese dann eintritt, sind wir als Mitglied der Kernbankengruppe bereit und in der Lage, konkrete Hilfe zu leisten. Das hat die Commerzbank gerade mit Blick auf die vergangenen 18 Monate bewiesen.

Sie sprachen die Kosten in Unternehmen an. Wo kann in einer Krise hierbei der Hebel angesetzt werden?

Das ist wieder sehr branchenabhängig. Das kann z. B. bedeuten, Teilkapazitäten stillzulegen. Fluglinien mit ihrer in der Corona-Krise verringerten Flugzeugflotte sind hierfür ein gutes Beispiel. Das kann aber auch heißen, Mitarbeiter in die staatlich geförderte Kurzarbeit zu schicken, um sich selbst bei den Lohnkosten zu entlasten. Derlei Möglichkeiten auf der Kostenseite gibt es einige.

Sie haben auf die Bedeutung einer Kernbankengruppe für Unternehmen hingewiesen. Was muss eine Firma bei deren Auswahl beachten?

Ziel eines Unternehmens sollte es sein, sich eine verlässliche Bankengruppe aufzubauen, die auch in schwierigen Phasen unterstützt. Voraussetzung ist, dass sie voll lieferfähig in der Breite der notwendigen Produkte sein sollte, möglicherweise kann sie noch um einige Spezialinstitute ergänzt werden. Größe und Ausgestaltung einer Kernbankengruppe sind auch von der Unternehmensgröße abhängig. Wichtig ist, dass beide Seiten über einen längeren Zeitraum eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen können.